Wolfgang Kollenberg, WZR ceramic solutions GmbH
Technische Keramik – weit mehr als Porzellan
Im Vergleich zu Metallen und Kunststoffen sind keramische Werkstoffe dem Konstrukteur und Anwender immer noch weniger bekannt. Bei „Keramik“ denkt man vor allem an Porzel-lan, Sanitärkeramik und Fliesen. In der Technik gab es in den 1980er Jahren eine gewisse Euphorie, die insbesondere durch die Schlagworte Keramischer Motor, PKW-Gasturbine und Keramischer Supraleiter geprägt war. Die Erwartungen, durch hochgesteckte Ziele der Forschungsprojekte beflügelt, konnten nicht in der Kürze der Zeit erfüllt werden. Dennoch haben viele Forschungsergebnisse der letzten Jahrzehnte ihre Umsetzung in die Produktion gefunden. Die Entwicklung der Umsätze, mit einem jährlichen Wachstum von 6 – 8 %, belegt, dass die Anwendung keramischer Werkstoffe in der Technik stetig zunimmt.
Keramik im Haushalt, im Maschinenbau und in der Elektrotechnik
Keramik bewährt sich heute täglich in einer Vielzahl von Anwendungen, sei es im Haushalt als Dichtscheibe für Einhebel-Mischarmaturen oder als Mahlwerk in der Pfeffermühle, im Maschinen- und Anlagenbau als Verschleißschutz oder als Gleit- und Dichtring, in der Textil-industrie als Fadenführer, in der Elektrotechnik als Isolatoren. Nicht zu vergessen sind natürlich die Vielzahl der Anwendungen von Piezokeramik als Aktoren bzw. Sensoren und die große Anzahl von Anwendungen in der Elektrotechnik und Halbleiterindustrie, die jedoch nicht im Fokus dieses Beitrages stehen sollen.
Der Begriff Technische Keramik orientiert sich vor allem an der Anwendung – nämlich in der Technik – und damit verbunden mit der wichtigsten Anforderung – nämlich die Lebensdauer bzw. Ausfallwahrscheinlichkeit zu benennen. Im Falle der klassischen Keramik, etwa einer Tasse, ist es bedauerlich, wenn sie zerbricht, aber die Folgen sind überschaubar. Versagt dagegen ein keramisches Bauteil als elektrischer Isolator, hat das weitreichende Konsequenzen. Als Mitte des 19. Jahrhunderts für die Elektrifizierung erstmals Isolatoren aus Porzellan eingesetzt wurden, veränderten sich die Anforderung an den bekannten Werkstoff deutlich.
Die Stärken der Keramik
Eigenschaften, die keramische Werkstoffe für den Anwender attraktiv machen, sind die hohe Härte, die große Verschleißbeständigkeit, die hohe Korrosionsbeständigkeit und die gute Hochtemperaturstabilität – verbunden mit niedrigem spezifischem Gewicht. Die keramischen Werkstoffe lassen sich aufgrund ihrer chemischen Zusammensetzung in drei Gruppen unterteilen (Bild 1):
- Silicatkeramik
Ton wurde bereits vor vielen Tausend Jahren zu Figuren und Gefäßen verarbeitet. Durch verbesserte Rohstoffauswahl wurden Steinzeug und später auch Porzellan entwickelt. Aus Steatit (Speckstein) wird eine elektrisch isolierende Keramik hergestellt, die in vielen Haushaltsgeräten anzutreffen ist. Durch Mischen von Steatit mit Ton entsteht Cordierit, eine Keramik die beispielsweise als Trägermaterial für Katalysatoren im Auto eingesetzt wird. - Oxidkeramik
Im Gegensatz zur Silicatkeramik, werden für Oxid- und Nichtoxidkeramiken keine na-türlichen, sondern synthetische Rohstoffe eingesetzt. Womit auch ein deutlicher Preisunterschied verbunden ist, allerdings sind die Eigenschaften deutlich reproduzierbarer. Die erste, und auch heute noch sehr breit eingesetzt Oxidkeramik, ist Aluminiumoxid (Al2O3). Aufgrund ihrer hohen Härte wird sie als Verschleißschutz, aufgrund der geringen elektrischen Leitfähigkeit als Isolator, eingesetzt. Die erste Anwendung erfolgte in den 1920er Jahren in der Zündkerze. In den 1980er Jahren wurde das Potenzial von Zirconiumoxid (ZrO2) entdeckt. Eine heute weit verbreitete Anwendung ist Zahnersatz oder auch die Lambdasonde im Auto. - Nichtoxidkeramik
Ende des 19. Jahrhunderts gelang erstmals die Synthese von Siliciumcarbid (SiC), eine extrem harte Keramik, die vorwiegend im Verschleißschutz eingesetzt wird. Die Entwicklung von Siliciumnitrid und Aluminiumnitrid begann erst in den 1980er Jahren.
Die keramischen Werkstoffe unterscheiden sich nicht nur in einzelnen Eigenschaften, zum Teil verhalten sie sich sogar konträr. Während Porzellan, Steatit und Aluminiumoxid elektrische Isolatoren sind, weist Siliciumcarbid eine hohe Wärmeleitfähigkeit auf und ist auch elektrisch leitend. Aluminiumnitrid dagegen ist elektrisch isolierend und sehr gut Wärme leitend.
Die Fertigungsschritte zum keramischen Bauteil
Die grundlegenden Fertigungsschritte keramischer Bauteile umfassen die Aufbereitung der Ausgangspulver, die Formgebung und den Sinterprozess. Erst durch den Brand bei hohen Temperaturen bilden sich feste Stoffbrücken zwischen den einzelnen Pulverpartikeln, das Gefüge verdichtet und die charakteristischen Eigenschaften werden ausgebildet. Folge der Verdichtung ist die Abnahme der Porosität und in der Regel ein Kornwachstum. Werden alle Gefügefehler vermieden, bleiben die Korngrenzen als maximale Fehlergröße übrig und beeinflussen durch ihre Grö-ße signifikant die Festigkeit. Daher sind Maßnahmen, die zur Begrenzung des Kornwachstums führen, unmittelbar auch für eine Steigerung der Festigkeit und Minimierung der Ausfallwahrscheinlichkeit angebracht. Bedingt durch den Sinterprozess kommt es zu einer Schwindung des Formkörpers von bis zu 25%. Diese Schwindung muss bei der Auslegung von Werkzeugen berücksichtigt werden und erfordert in engen Toleranzen reproduzierbare Prozessschritte.
Wie kommt Keramik in Form?
Von der Art des ausgewählten Formgebungsverfahrens hängt es ab, welche orga-nischen Additive dem Pulver zugesetzt werden müssen. So reichen beim Pressen geringe Mengen temporärer Binder aus, während z.B. beim keramischen Spritzguss sehr hohe Polymer-Anteile benötigt werden, die einen gesonderten Entbinderungsprozess erfordern.
Jedes der heute zur Verfügung stehenden Formgebungsverfahren hat spezifische Vor- und Nachteile. Auswahlkriterien sind neben der Bauteilgeometrie in erster Linie die Stückzahl und die Kosten. Da eine Nacharbeit der harten Keramik sehr aufwendig ist, sollte eine möglichst endkonturnahe Formgebung gewählt werden. Für komplexe Geometren hat sich hier insbesondere der keramische Spritzguss etabliert. Aufgrund der hohen Werkzeugkosten ist allerdings eine Fertigung mit diesem Verfahren nur bei hohen Stückzahlen wirtschaftlich.
Konstruieren mit Keramik – was muss man beachten?
Konstrukteur und Anwender müssen stets einen Nachteil keramischer Werkstoffe beachten: die Sprödigkeit. Im Gegensatz zu Metallen tritt bei mechanischer Beanspruchung der Keramik unmittelbar nach einer elastischen Verformung der Bruch ein, ohne dass zuvor eine plastische Verformung stattfinden kann. Dieser mangelnden Schadenstoleranz muss man konstruktiv begegnen. Zugspannungen sind ebenso, wie Spannungsspitzen und scharfe Kanten zu vermeiden. Nur eine keramikgerechte Konstruktion kann zum Erfolg führen.
Technische Keramik – große Potenziale für neue Anwendungen
Heute stellt sich die Technische Keramik gleichberechtigt neben den anderen Werkstoffen dar und ist zum Teil der High-Tech-Sparte zuzuordnen. Viele Forschungsergebnisse der letzten Jahrzehnte haben noch keine Umsetzung in die Produktion gefunden, hier bietet sich noch ein großes Potenzial. Entscheidend für den breiteren Einsatz der Keramik ist jedoch eine höhere Akzeptanz bei Konstrukteuren und Anwendern. Hier hilft die schnelle und kostengünstige Bereitstellung von Prototypen neue Anwendungen zu erschließen.
Literatur:
W. Kollenberg (Hrsg.): Technische Keramik. (2017) 3. Auflage, 654 S., Vulkan-Verlag
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