Für wen sind Gefügeuntersuchungen interessant?

Frage: Für wen sind Gefügeuntersuchungen interessant?
Antwort: Für denjenigen, der die Schadensursache seines Bauteils erfahren möchte.

Falsch!

Das Gefüge eines Werkstoffs ist einer, wenn nicht „der“ wichtigste Parameter, welcher zur Bewertung der Güte eines neu entwickelten Materials oder eines Bauteils herangezogen werden muss. Indirekt können Informationen über das Gefüge durch Porositätsmessungen oder Festigkeitsprüfungen gewonnen werden, denn diese Eigenschaften werden durch das Gefüge beeinflusst. Direkt kann das Gefüge durch ein breit gefächertes Methoden-Set untersucht werden, das seit dem letzten Jahrhundert die konventionelle Lichtmikroskopie ergänzt und der Industrie und dem Endkundenmarkt zur Verfügung steht.

Es ist sicher auch bei Ihnen schon einmal die Frage aufgetreten, warum eine Serie an Bauteilen „gut“ abschneidet, während die folgende vermehrt Ausfälle zeigt, obwohl chemisch „nichts“ verändert wurde. Hier kann eine mögliche Antwort das Gefüge sein, da es eine Summe aus vielen Einzelkomponenten darstellt, welche ineinandergreifen. Ist die Abstimmung der groben und feinen Einzelkomponenten falsch gewählt, entstehen bereits bei der Produktion Defekte. Beim Sintern bilden sich die falschen (Mineral-) Phasen, es entsteht ein inhomogenes Gefüge und letztendlich werden interne Spannungen bei mechanischer und thermischer Belastung durch Risse abgebaut – Eine (Vor-)Schädigung, die niemand möchte.

Verbesserungen in der Zusammensetzung eines Materials und des Herstellungsverfahrens oder der Umstieg auf einen größeren Ofen zur Serienproduktion führen automatisch zu veränderten Eigenschaften, da das Gefüge immer die Summe der Ausgangsstoffe und Behandlung darstellt. Wird das Gefüge des Bauteils kontinuierlich beobachtet, kann die Lebensgeschichte nachvollzogen werden und die resultierenden Eigenschaften bewertet und auf diese Weise verbessert werden. So könnte die Sinterkurve bei technischen Keramiken modifiziert werden, um bestimmte Mineralphasenbildungen durch Haltezeiten zu fördern, während unerwünschte Abschnitte möglichst schnell durchfahren werden. Das Gefüge lässt sich damit in Hinblick auf Mineralzusammensetzung, Ausprägung und Porosität steuern – was wiederum in angepassten Eigenschaften mündet, die ihrem Zweck besser entsprechen.

Gleiches gilt in diesem Sinne auch für Metalle. Hier lassen sich in anderer Weise ebenfalls die Geschichte, Herstellungsart und Behandlung, und die resultierenden Eigenschaften erklären. Das aus der Schmelze erzeugte ferritisch-perlitische Gefüge kann durch Abschrecken und dem Grad des Abschreckens martensitisch werden oder nur ein Übergangsgefüge bilden. Eigenschaften wie die Härte können von „weich“ in Richtung mehr Härte verschoben werden, ohne zwingend an Elastizität zu verlieren oder eine ausgeprägte Sprödigkeit zu entwickeln. Diese Ausbildung der Mineralkörner kann man in einem guten Anschliff klar differenzieren und somit die Geschichte rekonstruieren- teilweise bis hin zum Walzen.

Auch die chemische Zusammensetzung und daraus resultierende Mineralogie hat großen Einfluss auf das Verhalten im Einsatz eines Bauteils. Chromoxid wird zum Beispiel in Feuerfestmaterial als Korrosionsschutz für Aluminiumoxid verwendet, um plattige Abplatzungen durch den Angriff von Alkalien und Erdalkalien zu verhindern. Doch nicht nur der Anteil laut Datenblatt an Chromoxid im Feuerfeststein ist wichtig. Wenn die Verteilung im Steingefüge nicht stimmt, nützt auch die prozentual richtige Menge im gesamten Stein nichts. Eine feine Verteilung des Chromoxids ist deutlich korrosionshämmender als einzelne Körner, welche diese Eigenschaft nur lokal zum Tragen bringen. Der Angriff von Alkalien und Erdalkalien erfolgt schließlich nicht an einer Stelle, sondern über größere Bereiche des Steins hinweg und schreitet auch ins Gefüge voran. Dies ist ein gutes Beispiel für eine verminderte Beständigkeit in der Thermochemie aufgrund unpassenden Gefüges.

Es ist daher ratsam, vor dem Einbau verschiedene Steinqualitäten zu untersuchen und Hersteller zu vergleichen, um im Nachhinein keine Überraschung zu erleben – wenn das Gefüge zur Findung der Schadensursache analysiert wird.

So einfach es jedoch klingen mag, sich die Struktur und die Zusammensetzung eines Materials wie einer technischen Keramik anzusehen, um etwas über die Leistung des Bauteils auszusagen, so relevant ist die Auswahl der richtigen Methode und Präparation.

Denn die Erkenntnisse aus den Untersuchungen können sich deutlich voneinander unterscheiden. Beispielsweise gibt der Blick auf eine Bruchfläche Einsichten über den Auslöser und die Art des Bruchs. Ein Anschliff senkrecht zur Bruchfläche gewährt tiefere Einblicke:

  • der Einfluss der Komponenten (Körner, Glasphase, Matrix)
  • Ausprägung des Schadens im makroskopisch „unbeschädigtem“ Gefüge
  • der Grad der Begünstigung
  • die Ursache des Versagens

Bei additiv gefertigten Bauteilen wie zum Beispiel dem Binder Jetting ist die Ebene, die man betrachtet, ebenfalls geschickt zu wählen. Ein seitlicher Anschliff ermöglicht die Betrachtung der Lagigkeit und der Anbindung der einzelnen Schichten untereinander. Der Anschliff in der Schichtenebene ermöglicht eine Aussage über die Homogenität der Pulververteilung.

In jedem Fall ist die Analyse des Gefüges nicht nur in der Schadensanalyse essentiell, sondern auch relevant für jeden, der auf leistungsstarke und qualitative Bauteile setzt: sowohl in der Entwicklung, der Produktion und auch der Qualitätssicherung.

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